Nicht selten fungieren Kinder aus Einwandererfamilien als Übersetzer für Ihre Eltern und begleiten sie bei wichtigen Behördengängen und Krankenhausbesuchen. Dabei übernehmen sie auch unfreiwillig Verantwortung bei wichtigen Lebens- und Entscheidungsfragen. Wieso werden Kinder in diese Situationen gebracht und wie bewältigen sie diese heiklen Übersetzungsleistungen?
Sobald Kinder und Jugendliche aus Einwandererfamilien als Übersetzer für Ihre Eltern und Verwandten tätig sind, liegt die Verantwortung der gesamten Familie in ihren Händen. Sie unterstützen Entscheidungsfindungen und müssen heikle und lebensbedrohliche Diagnosen übersetzen. Nicht nur die Terminologie der Medizin und vieler anderer komplizierter Fachbereiche stellt eine Herausforderung für sie dar, sondern auch die Informationen selbst, die sie in jungen Jahren verarbeiten müssen. Nicht immer sind diese angenehm oder altersgemäß.
Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen übersetzen als kleine Sprachkometen bei Behördengängen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Arztbesuchen, Konflikten im schulischen Umfeld, in Kaufhäusern und allen Situationen des alltäglichen Lebens. Langsam wachsen sie in das linguistische Neuland und in ihr sprachliches Umfeld hinein und anders als ihre gleichaltrigen muttersprachlichen Freunde müssen sie auf einmal wichtige Alltagssituationen für Erwachsene bewältigen – Informationen verarbeiten, übersetzen und Entscheidungen treffen. Unermüdlich geben sie Worten Sinn und Verständnis und sind das Sprachrohr und Bindeglied ihrer Mitmenschen.
Die Gradwanderung zwischen Akzeptanz und Legalität
Nicht selten werden beim Einsatz von Kinderübersetzern Gesetze gnadenlos missachtet, doch die betroffenen Institutionen äußern sich diesbezüglich nicht. Dies liegt nicht nur daran, dass die Betroffenen ein schlechtes Gewissen aufgrund der „Kinderarbeit“ haben, sondern auch daran, dass sie wissen, dass es gesetzeswidrig ist mit der ärztlichen Schweigepflicht oder dem Datenschutz unachtsam umzugehen. Doch in Notsituationen fehlen nicht nur die finanziellen Mittel für einen professionellen Übersetzer, sondern es mangelt auch an Zeit.
Die Übersetzungsleistung der Kinder ist fraglich
Oftmals sind die Kinder aus Einwandererfamilien noch zu jung, um Informationen genaustens verstehen und verarbeiten zu können. Hinzukommt die Fachterminologie, die in einigen Situationen notwendig wäre, aber Kindern einfach und verständlich vermittelt wird. Verfügt der Sprachpartner hingegen nicht über ausreichend Erfahrung und Gefühl im Umgang mit Kindern, dann werden sie ebenso mit schwierigen Fachbegriffen konfrontiert. Dabei ist es fraglich, wie Kinder Fremdwörter, welche sie nicht verstehen, letztendlich übersetzen. Die Inhalte und Formen der Kommunikation liegen schlichtweg außerhalb ihres eigenen Erfahrungs- und sprachlichen Ausdruckshorizonts.
Welche Auswirkungen hat die Übersetzungstätigkeit der Kinder?
Welche Auswirkungen die Übersetzungstätigkeit auf die Kinder hat, ist umstritten. In einigen Fällen kommt es zu Konflikten zwischen den Eltern und den Kindern, da diese belastend für das Miteinander sind. Andererseits kann die Dolmetschertätigkeit auch eine positive Wirkung auf die Beziehung haben, da Vertrauen und Respekt gestärkt werden.
Kinderarbeit oder angenehmer Zeitvertreib für eine bessere Sprachkompetenz
Selbstverständlich ist es fraglich, welche Informationen Kinder verarbeiten und übersetzen müssen. Ebenso sollten gesetzliche Regelungen bezüglich des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht beachtet werden. Nichtsdestotrotz scheinen die Mehrheit der Kinder die Übersetzungstätigkeiten gerne zu übernehmen, denn sie helfen gerne. Viele Kinderübersetzer gaben sogar an, dass ihnen das Dolmetschen Spaß mache, sofern die Themen nicht brisant oder sprachlich zu anspruchsvoll seien. Und natürlich sollte noch genügend Zeit für Freizeit, Hobbies und Faulenzen zur Verfügung stehen!