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Interessantes / 02. Dezember 2021

Soziolekt: Rotwelsch – die Sprache der Diebe und Gauner

Die Begriffe Pinkepinke, Moos, Zaster, Kies und Schotter haben Sie bestimmt einmal als Bezeichnung für Geld gehört. Doch wussten Sie, dass es sich hierbei um Begriffe aus einer Gaunersprache namens Rotwelsch handelt? Wer sich gerne im Schatten der Illegalität bewegt und nicht möchte, dass man ihn versteht, nutzt solch eine Geheimsprache.

 

Das Rotwelsch ist ein Sammelbegriff für sondersprachliche Soziolekte gesellschaftlicher Randgruppen des Deutschen. Rot ist ein Begriff, der für das fahrende Volk für Spielleute, Gaukler, Bettler, Hausierer, Tagediebe und Gauner steht. Rot waren stets diejenigen, die am Rande der Gesellschaft standen und sich manchmal verstecken mussten und „Welsch“ sprachen.

Im Grunde genommen handelt es sich um eine Gaunersprache, die seit dem späten Mittelalter von Bettlern, fahrendem Volk (Vaganten),  Vertretern unehrlicher Berufe (z.B. Prostituierten), Schaustellern und kriminellen Subkulturen gebraucht wurde und seit dem 17. Jahrhundert durch die Ansiedlung Nichtsesshafter auch lexikalischen Einfluss auf viele Ortsdialekte genommen hat.

Rotwelsch basiert auf dem Deutschen und hat Bestandteile verschiedener Sprachen, wie Jiddisch, Hebräisch, Romani und andere.

 

Die Geheimsprache Rotwelsch

Die Gaunersprache Rotwelsch ist eine seltsame Mischung aus verschiedenen Sprachen. Heute würden wir dazu Kauderwelsch sagen, wenn jemand etwas Unverständliches artikuliert. Dieses Wort kommt vom rotwelschen „kaudern“, was „Zwischenhandel betreiben“ bedeutet. Welsche Geldwechsler und Zwischenhändler wurden im Mittelalter als „kauderwelsche Lamparter“ bezeichnet und ihre Sprache war das Kauderwelsch.

 

Besonderheiten der Geheimsprache

Das Rotwelsch entstand auf Basis der Bedürfnisse der Sprecher unterschiedlicher sozialer, regionaler und sprachlicher Herkunft, ihrer sozialen Ausgrenzung und dem Wunsch nach Geheimhaltung ihrer Kommunikation. Durch den Erwerb der Sondersprache wurden die Sprecher zu Mitgliedern einer Sprachgruppe und galten so als Eingeweihte. Insbesondere bei sozial ausgegrenzten Gruppen hatte die Sprache eine wichtige identitätsbildende, integrative Funktion, welche die Zugehörigkeit und den Zusammenhalt verstärkte. 

Hauptsächlich unterscheidet sich das Rotwelsch von der deutschen Umgangssprache und von den jeweiligen Dialekten im Hinblick auf die Lexik. Daher kann man auch sagen, dass es sich um einen Sonderwortschatz (Jargon) handelt. Dieser Jargon hat sich in sozial, regional und zeitlich verschiedenen Varianten ausgeprägt.

Rotwelsch beruht auf Veränderung oder Umdeutung bekannter deutscher Wörter durch Bedeutungsübertragung und -verschiebung, Bildung neuer Komposita, Affigierung und Permutation sowie auf Entlehnungen aus dem Romani, dem Niederländischen und dem Französischen und steht dabei oft in Verbindung mit Umdeutungen aus dem Westjiddischen.

 

Sprachbeispiele für Rotwelsch

Besonders viele Bezeichnungen gibt es im Rotwelsch für Geld - Von Kies, Schotter, Zaster, über Moos bis Pinkepinke. Pinkepinke bezeichnet dabei das klimpernde Geräusch, das Münzen machen. Auch bei den zerkleinerten Gesteinen „Kies und Schotter“ denkt man an Kleingeld. Aber woher kommt der Begriff „Moos“? Moos ist ursprünglich ein studentischer Ausdruck für Geld, der über das Rotwelsche von jüdisch „maos“ (Hebräisch: ma’oth = Pfennige, Kleingeld) kommt. Zaster stammt hingegen aus dem Indischen (Altindisch: „sastra“ = Wurfgeschoss).

Doch wer würde meinen, dass Trittling Schuh bedeutet, Windfang einen Mantel meint und ein Landpolizist ein Spinatwächter im Rotwelschen ist. Wurde ein rotwelscher Gauner schließlich von einem Spinatwächter zur Strecke gebracht und erwischt, dann kam er vor den Amtsrichter, den „Donnergott“, der ihn zu einer Strafe „verdonnerte“. Hat der Gauner jedoch „Massel“ (Glück), dann steckt er nur in einem kleinen „Schlamassel“ (schwieriges Durcheinander) und hat es nicht zu sehr „vermasselt“ (das Glück verderben, das Glück verlassen, etwas falsch machen). Trifft es ihn jedoch hart, muss er in den „Knast“.

 

Welchen Einfluss hat der soziale Kontext auf Rotwelsch?

Das Rotwelsch weist viele Lehnwörter aus dem Jiddischen und Hebräischen auf, da Juden bis ins 19. Jahrhundert von den meisten landwirtschaftlichen und bürgerlichen Berufen ausgeschlossen waren und somit als fahrende Händler und Hausierer lebten. Da auch die Roma rechtlich, ökonomisch und gesellschaftlich ausgeschlossen wurden, ist auch der Anteil des Romanes im Rotwelsch sehr hoch. Es weist aber auch Einflüsse aus dem Französischen und Italienischen auf, wobei Überschneidungen und Beeinflussungen auch durch die folgenden Gruppen entstand: Handwerker, Händler, Schausteller, Landsknechte und Soldaten, Schüler und Studenten, Bettler, Prostituierte, Schankwirte, Schinder, Scharfrichter, Müller und Köhler.

Heutzutage ist das Rotwelsch noch unter reisenden Handwerkern, Landstreichern, Berbern und Bettlern verbreitet. Der Duden führt mehr als 70 Wörter mit rotwelscher oder gaunersprachlicher Herkunft auf.

 

Weitere Beispiele für Rotwelsch

Rotwelsch

Deutsch

Herkunft

ausbaldowern bzw. baldowern

auskundschaften

Jidd. Baal (Herr)

Jidd. Dower (Sache, Wort)

Herr der Sache sein (baal davar)

Bock

Hunger, Gier

Romani bokh (Hunger), Bock haben, Lust haben

Bulle

Kriminalbeamter, Polizist

Niederl. Bol „Kopf, kluger Mensch“

Ganove

Dieb

Hebr. Ganav (Dieb)

Kachny

Huhn

Romani kaxni, kahni (Huhn)

Kaspern

reden

 

Kohldampf

Hunger

Romani kálo (schwarz); rotw. Kohlerisch (schwarz, Kohler, Hunger)

Mosern, herummosern

Sich beschweren, nörgeln, meckern

Jidd. Massern war (verraten, ausplaudern)

Platt

Vertraut, sicher, gaunerisch

Jidd. Polat (entwischen, entkommen) polit (Flüchtling); platte Leute (Gauner), Platte (Bande), Platte machen (auf der Straße leben)

Polente

Polizei

Jidd. Paltin (Burg, Palast)

Schinageln

Arbeiten

Zwangsarbeit für die Obrigkeit lesiten; Jidd. Schin- (Schub-) und agolo (Karre)

Schmiere stehen

Wache halten

 Jidd. Shmirah (Wächter)

schofel, schovel

schlecht, schäbig, mies, gering, übel, niedrig

rotw. schofel (minderwertig, gemein, schlecht, wertlos), jidd. schophol, schophel (gering, niedrig, schlecht)

Schocher, Schokelmei

Kaffee

jidd. schocher majim vom

Jüd. (schwarzes Wasser)

 

Stuss

Unsinn, Unfug, dummes Gerede

Westjidd. Shtus (dummes Zeug)

Wolkenschieber

Bettelnder Handwerksbursche, Kunde, der kein Handwerk versteht

 

 

Weiterführende Literatur:

 

 

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