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juristendeutsch, rechtsdeutsch, rechtssprache, juristische Fachsprache
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Interessantes / 22. Oktober 2020

Deutsch der Rechtswissenschaft

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Wer sich einmal die deutschen Gesetzestexte anschaut, merkt gleich, dass bei der Juristensprache etwas anders ist als beim geschriebenen und gesprochenen Deutsch. Nicht einmal Goethe hat sich so umständlich und unverständlich ausgedrückt wie die Rechtssprache. Auch die Satzlänge der Rechtssprache konkurriert mit Sätzen von Cicero und Theodor W. Adorno, die sich problemlos über eine ganze Seite erstrecken. Manch einer fragt sich, wie man es schafft, so viel wie möglich zu sagen und so wenig wie möglich auszusagen. Für Jurastudenten gibt es sogar Schritt-für-Schritt-Anleitungen wie man einen Satz von Deutsch auf „Legalesisch“ übersetzt und seinen Umfang, ohne einen sinnvollen Inhalt hinzuzufügen, verdoppelt. 

Allerdings kann das Rechtsdeutsch auch edel und eloquent klingen. Welche Besonderheiten weist die Rechtssprache auf und woher kommt sie?

 

Was bezeichnet man als Juristendeutsch?

Das Juristendeutsch ist die juristische Fachsprache oder juristische Terminologie, die auch als Amtsdeutsch, Rechtsdeutsch oder Juristenlatein bezeichnet wird. Sie wird in der Rechtswissenschaft als Fachsprache genutzt und ist Handwerkzeug eines jeden Juristen. Darüber hinaus gilt sie als Forschungsgegenstand der Rechtslinguistik und zählt zu den frühesten Fachsprachen.

Man nimmt aber an, dass sich die Rechtsgelehrten im 18. und 19. Jahrhundert bei den Formulierungen des heutigen Juristendeutsch nicht an Latein orientiert haben.

 

Merkmale der Juristensprache

Die Juristensprache ist durch einen hohen Anteil an Fachwörtern gekennzeichnet. Des Weiteren findet man eine starke Nominalisierung von Verben, einen erhöhten Rückgriff auf Adjektive und Passivkonstruktionen. Darüber hinaus bedient sich die Rechtsprache der folgenden sprachlichen Phänomene:

  • Gerundiv (abzuleistende Sozialstunden)
  • Partizipialkonstruktionen (Das Gericht erteilt drei Stunden dauernde Hilfeleistung.)
  • Präpositionalgefüge
  • Komposita (Vollstreckungsabwehrklage)
  • Bildung von Suffixoiden (straffrei, alkoholfrei)
  • Konversion (der Ernst, ernst)
  • Indikativ und Präsens
  • Satzgefüge (sogenannte Schachtelsätze)

Hinzu kommen spezifische Verwendungen von Rechtsbegriffen, Redeformeln (im Namen des Volkes) und Pluralformen.

 

Welche Unterschiede bestehen zwischen Standarddeutsch und Rechtsdeutsch?

Neben Fachtermini und besonderen Merkmalen gibt es im Juristendeutsch auch Wörter und Bezeichnungen, die anders als in der Standardsprache verwendet werden. Hierzu zählen zum Beispiel:

  • grundsätzlich (juristisch: vom Grundsatz her, im Prinzip, in der Regel)
  • regelmäßig (juristisch: der Regel gemäß)
  • vorbehaltlich (diese Vorschrift tritt zurück)
  • Besitz
  • unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern)
  • Gefahr in Verzug
  • verwirken
  • billig (juristisch: angemessen)
  • tatsächlich (juristisch: auf Tatsachen beruhend)

 

Wie man mit vielen Wörtern wenig sagen kann

Wer sich gerne weiter mit den sprachlichen Irrungen und Wirrungen der Rechtssprache auseinandersetzen möchte, sollte den interessanten Artikel von Prof. Dr. Schimmel lesen. Hier wird ein Hauptsatz mit 16 Wörtern zu einem Hauptsatz mit drei Nebensätzen und 39 Wörtern transformiert und gezeigt, wie man mit vielen Wörtern wenig sagen kann.

Der ursprüngliche Hauptsatz lautete:

  • „Der Beitrag gibt mit einem kommentierten Prüfungsschema einen Überblick über die Vollstreckungsabwehrklage des § 767 ZPO.“

Weitere Komposita, mehr Adjektive und eine Abkürzung:

  • „Der hiesige Beitrag ermöglicht mit einem kommentierten Prüfungsschema einen Gesamtüberblick über die Vollstreckungsabwehrklage § 767 ZPO.“

Relativieren, gendern und abstrahieren:

  • „Der hiesige Beitrag hat sich zur Aufgabe gemacht, den Studierenden mit einer Art kommentiertem Prüfungsschema einen Gesamtüberblick über die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO zu ermöglichen.“

Den Studierenden in die Verantwortung nehmen:

  • „Der hiesige Beitrag hat sich zur Aufgabe gemacht, den Studierenden eine Art kommentiertes Prüfungsschema an die Hand zu geben, um ihnen zu ermöglichen, einen Gesamtüberblick über die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO zu bekommen.“

Ergänzungen einfügen:

  • Der hiesige Beitrag hat sich zur Aufgabe gemacht, den Studierenden eine Art kommentiertes Prüfungsschema an die Hand zu geben, um ihnen auf diese Art und Weise zu ermöglichen, einen Gesamtüberblick über die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO zu bekommen.

 

 

Lesetipps:
Tonio Walter: "Kleine Stilkunde für Juristen", C.H. Beck, 296 Seiten
Michael Schmuck: "Deutsch für Juristen: Vom Schwulst zur klaren Formulierung", Verlag Dr. Otto Schmidt, 120 Seiten
Monika Hoffmann: "Deutsch fürs Jurastudium: In 10 Lektionen zum Erfolg", UTB GmbH, 173 Seiten
Roland Schimmel: "Juristendeutsch?" Ein Buch voll praktischer Übungen für bessere Texte, 197 Seiten

 

 

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