Haben Sie sich schon einmal Ihre Quittung im Supermarkt angeschaut und sich gefragt, woher eigentlich diese Zahlen stammen – 1, 2, 3 …? Und wussten Sie, dass Sie im Alltag regelmäßig Arabisch verwenden – ganz ohne je einen Kurs besucht zu haben?
Willkommen in der faszinierenden Welt der arabischen Sprache – einer Sprache, die über Jahrhunderte hinweg nicht nur Wissenschaft, Poesie und Architektur geprägt hat, sondern auch ihren Weg in viele europäische Sprachen gefunden hat – darunter auch ins Deutsche.
Ziffern, die die Welt veränderten
Wenn wir von „arabischen Zahlen“ sprechen, meinen wir jene vertrauten Ziffern 0 bis 9, die heute auf der ganzen Welt verwendet werden – von E-Mails über Kassenbons bis zu IBANs.
Diese Zahlen stammen ursprünglich aus Indien, doch es waren arabische Gelehrte, die das dezimale System weiterentwickelten, die Null einführten und es schließlich in die westliche Welt brachten.
Der Begriff für „Null“ – „Ziffer“ – hat dabei eine spannende Reise hinter sich: vom sanskritischen śūnya über das arabische ṣifr in den lateinischen Sprachraum, wo er zu cifra und schließlich zu Ziffer wurde. Auch englische Wörter wie cipher (Geheimcode) gehen auf diese Wurzel zurück.
Ein entscheidender Moment war das Jahr 1202, als der italienische Mathematiker Leonardo Fibonacci sein bahnbrechendes Werk Liber Abaci veröffentlichte. Darin stellte er das hinduarabische Zahlensystem vor – und überzeugte die europäische Welt, dass man mit 0 bis 9 deutlich eleganter rechnet als mit römischen Zahlen wie DLXVIII.
Arabische Spuren in der deutschen Sprache
Auch wenn Sie Arabisch nicht aktiv sprechen, nutzen Sie es doch regelmäßig – nämlich in Wörtern, die längst fester Bestandteil des deutschen Wortschatzes sind. Viele dieser Begriffe kamen durch italienische, spanische oder französische Vermittlung zu uns – und heute sind sie so selbstverständlich, dass ihr Ursprung kaum noch auffällt.
Hier sind einige Beispiele, die Sie garantiert kennen – nun aber mit ganz neuen Augen sehen werden:
Deutsches Wort – Ursprung im Arabischen – Bedeutung/Herkunft
Ziffer – ṣifr – Zahl (ursprünglich: „Leere“)
Alkohol – al-kuḥl – ursprünglich: feines Pulver/Essenz
Admiral – amīr al-baḥr – Befehlshaber zur See
Tasse – ṭāsa – kleines Trinkgefäß
Tarif – taʕrīfa – Preisliste/Gebühr
Zucker – sukkar – über Persisch und Arabisch ins Deutsche
Giraffe – zarāfa – lange Hälse, lange Reise, langer Name
Wie Sie sehen, ist der arabische Einfluss nicht nur exotisch, sondern ganz alltäglich – vom Frühstück bis zum Feierabendbier
Spanien: wenn Arabisch und Spanisch gemeinsame Sache machen
Noch deutlicher wird der Einfluss der arabischen Sprache in Spanien, wo Arabisch von 711 bis 1492 eine prägende Rolle spielte. Unter der Herrschaft muslimischer Dynastien entstand das kulturelle Blütenland Al-Andalus – ein Ort, an dem Wissen, Kunst und Sprache nebeneinander gedeihen konnten.
Heute zählt man in der spanischen Sprache etwa 4000 Wörter arabischer Herkunft – das sind etwa 8 % des gesamten Wortschatzes! Viele beginnen mit dem Artikel „al-“, der im Arabischen einfach „der“ oder „das“ bedeutet:
- alfombra (Teppich) – weich, bunt, kunstvoll
- almohada (Kopfkissen) – für süße Träume
- alcohol – wie im Deutschen, ursprünglich feines Pulver
- albahaca (Basilikum) – mediterrane Küche, arabisches Wort
- algebra – arabisch al-jabr, das „Zusammenfügen“
Auch ein Ausdruck wie „ojalá“, der auf Deutsch „hoffentlich“ bedeutet, stammt aus dem Arabischen – genauer: aus der Redewendung „in shāʾ Allāh“ – so Gott will.
Granada, Córdoba, Sevilla: arabischer Glanz im Herzen Europas
Wer Andalusien besucht, spürt den arabischen Einfluss nicht nur in der Sprache, sondern auch in der Architektur, Stadtplanung und Atmosphäre. Drei Städte stehen besonders sinnbildlich für dieses kulturelle Erbe:
Granada mit der Alhambra, einem Palastkomplex, der wie ein Gedicht aus Stein wirkt – mit kalligrafischen Inschriften, Wasserläufen und geometrischer Harmonie.
Córdoba, einst eine der größten Städte Europas, beherbergt die berühmte Mezquita – eine Moschee, die heute Kathedrale ist.
Und Sevilla mit dem Alcázar, einem maurischen Palast, in dem die Gärten Geschichten erzählen – wenn man genau hinhört.
Neben Bauten brachte die arabische Welt auch:
- Mathematik und Astronomie
- Bewässerungssysteme für die Landwirtschaft
- Hamams – öffentliche Badehäuser (die wir heute vielleicht wieder gut gebrauchen könnten)
- Medizin, Philosophie und Bibliotheken, die Wissen zugänglich machten, lange bevor es Wikipedia gab.
Warum Sie das wissen sollten
Weil Sprache mehr ist als ein Werkzeug zur Verständigung. Sie ist ein Spiegel der Geschichte, ein Brückenbauer zwischen Kulturen – und ein stiller Zeuge für alles, was Menschen voneinander lernen.
Wenn Sie also das nächste Mal Zucker in Ihren Kaffee geben, Ihren Tarif prüfen oder über die Ziffern auf Ihrer Quittung stolpern – erinnern Sie sich: Ein bisschen Arabisch steckt auch in Ihrem Alltag.
Und genau das macht Sprache so wunderbar: Sie gehört nie nur einem Volk. Sie ist immer ein Mosaik.









