Kennen Sie den Witz, in dem zwei Übersetzer ertrinken und einer den anderen fragt:
„Kannst du schwimmen?“
Und der andere antwortet:
„Das nicht. Aber ich kann in drei Sprachen um Hilfe rufen!“
Manche Scherze über das Übersetzen sind vielleicht nicht so weit von der Wahrheit entfernt, hier geht es aber um etwas ganz anderes.
In diesem Beitrag stellen wir Ihnen 10 Irrtümer über Übersetzer vor, die sich in der letzten Zeit ziemlich verbreitet haben. Manche finden sie lustig, andere ärgerlich, wieder andere widmen ihnen einfach keine Aufmerksamkeit.
Nachdem Sie diesen Blog gelesen haben, können Sie aber gerne sagen, zu welcher Gruppe Sie gehören und ob wir irgendwelche derartigen Irrtümer (die eigentlich gar nicht falsch sind) ausgelassen haben.
Irrtum Nr. 1: Übersetzer sind wandelnde Wörterbücher
Es mag unglaublich klingen, aber selbst Übersetzer kennen nicht die Übersetzung für jedes Wort, das es gibt. Obwohl die meisten Texte ohne Wörterbücher übersetzt werden, sind diese dennoch häufig ein notwendiges Hilfsmittel.
Auch, um Beispiele für die korrekte Verwendung von Wörtern zu finden, um festzustellen, wie passend ein Ausdruck eigentlich ist, mit welchen Präpositionen ein Wort verwendet wird (ist „zweifeln an“ richtig oder vielleicht „zweifeln über“?), wie wird das Wort stilistisch eingeordnet usw.
Also sind wir, Übersetzer, kein Wörterbuch, werden aber bei der Arbeit gerne von Wörterbüchern begleitet.
Irrtum Nr. 2: Fast jeder kann übersetzen
Oft behaupten diejenigen, die in der Schule Englisch hatten oder sich oft englischsprachige Filme anschauen:
„Ich würde das ja selbst übersetzen, habe aber zurzeit viel zu tun.“
Falls Sie eine Sprache gut beherrschen, können Sie einen Text zwar selbst übersetzen, aber eine hochwertige Übersetzung verlangt viel mehr als nur eine wortwörtliche oder oberflächliche Übersetzung bzw. Kenntnisse in beiden Sprachen.
Ein Übersetzer muss die Ausgangssprache und die Zielsprache vollkommen beherrschen, mit dem Fachgebiet des Texts vertraut sein und die Nuancen der einzelnen Begriffen kennen, den Stil des Ausgangstexts möglichst gut in den Zieltext übertragen sowie gleichzeitig das Zielpublikum berücksichtigen. Also genügt es nicht, sich alle Staffeln einer mexikanischen Telenovela oder von Friends anzuschauen, oder?
Irrtum Nr. 3: Übersetzen geht sehr schnell
„Ich habe etwas wirklich Kleines zu übersetzen. Dauert nicht mal eine halbe Stunde.“
Falls Sie es noch nicht wussten: dies ist der Lieblingssatz aller Übersetzer.
Eigentlich kann das Übersetzen bereits einer äußerst kurzen Passage wegen der stundenlangen Suche nach passenden Begriffen, Änderungen der Wortfolge, Anpassungen an den Kontext und manchmal auch wegen einer vertieften Untersuchung der Thematik sehr lange dauern.
Die Übersetzung einer Normseite (ungefähr 250 Wörter oder 1500 Zeichen ohne Leerzeichen) dauert ca. 1 Stunde, unter Berücksichtigung des bereits Gesagten kann sie aber auch wesentlich länger dauern.
Irrtum Nr. 4: Übersetzen = Dolmetschen
Übersetzer übersetzen schriftliche Dokumente (Bücher, juristische Dokumente usw.), Dolmetscher übersetzen mündlich (bei Konferenzen, Geschäftstreffen usw.).
Es gibt viel weniger Dolmetscher als Übersetzer und Dolmetschen unterscheidet sich stark vom Übersetzen.
Wir kennen Simultan- und Konsekutivdolmetschen.
Beim Simultandolmetschen überträgt der Dolmetscher den Text in die Zielsprache so schnell, wie der Text beim Sprechen von der Ausgangssprache übersetzt werden kann.
Beim Konsekutivdolmetschen beginnt der Dolmetscher zu übersetzen, nachdem der Sprecher des Ausgangstextes zu sprechen aufgehört hat. Der Dolmetscher hört dem Sprecher zu und macht Notizen, während dieser spricht. Wenn der Sprecher eine Pause macht oder mit dem Sprechen aufhört, überträgt der Dolmetscher Teile der Nachricht oder die ganze Nachricht in die Zielsprache.
Jeder Dolmetscher recherchiert das Thema und manchmal sogar die Sprecher bereits mehrere Tage, sogar Wochen, vor dem Ereignis, um die passendsten Übersetzungen für die wichtigsten Fachausdrücke zu finden. Am Tag des Ereignisses muss er möglichst konzentriert sein und dem Sprecher aufmerksam zuhören. Es handelt sich um eine äußerst schwierige Arbeit, daher sind Erwartungen, dass ein Dolmetscher für einen mehrere Stunden dauernden Auftrag ausreicht, ganz utopisch.
Irrtum Nr. 5: Übersetzer müssen nicht mit dem Thema oder dem Kontext vertraut sein
Wenn kein Verständnis vom Thema des Textes und seinem Kontext vorhanden ist, kann es schnell zu falschen Übersetzungen kommen.
Lassen Sie uns das an einem Beispiel erläutern.
Der Auftraggeber sendet uns ein E-Mail mit der Bitte, einen kurzen und sehr einfachen Slogan einer neuen Marketingaktion zu übersetzen. Da es sich nicht um die Werbeaktion des Auftraggebers handelt, kann er uns nicht erläutern, um welchen Bereich es sich handelt.
→ If you want the best fans, come to us!
Handelt es sich um ein Unternehmen:
- aus dem Bereich Digitalmarketing, das behauptet, für Sie möglichst viele Follower bzw. Personen, denen Ihre Dienstleistungen gefallen, anzuwerben?
- das Ventilatoren verkauft?
Also ein ganz einfacher Satz, der aber ohne Kontext nicht genügend Informationen gibt.
→ Can you bring me the nut?
- Kannst du mir die Mutter bringen?
- Kannst du mir die Nuss bringen?
- Kannst du mir den Zapfen bringen?
Irrtum Nr. 6: Die Übersetzung eines guten Übersetzers muss nicht noch von einem Korrekturleser überprüft werden
Übersetzen und Korrekturlesen sind zwei unterschiedliche Verfahren, die verschiedene Kompetenzen verlangen.
Auch bei einem noch so guten Übersetzer kann es zu Schreibfehlern kommen (wobei der Übersetzer das gar nicht bemerkt, da er sich mehr auf die inhaltliche Korrektheit der Übersetzung konzentriert). Er kann auch kleinere Textpassagen auslassen oder nicht ganz korrekt verstehen. Korrekturleser bzw. Textprüfer vergleichen zuerst normalerweise die Übersetzung mit dem Ausgangstext und konzentrieren sich erst dann auf den Zieltext selbst. Sie überprüfen, ob der Text grammatisch korrekt ist, ob die Rechtschreibung stimmt und ob der Stil dem Zweck des Textes entspricht.
Ungeachtet der Kompetenzen des Übersetzers ist eine Korrektur für eine hochwertige Übersetzung immer zu empfehlen.
Irrtum Nr. 7: Mit Übersetzen kann man schnell reich werden
Wenn das wahr wäre, könnten Sie diesen Beitrag wahrscheinlich nicht lesen, da wir unsere Zeit irgendwo genießen würden, wo nie Eis von der Windschutzscheibe gekratzt werden muss.
Mit dem Übersetzen selbst ist wahrscheinlich noch keiner reich geworden, ganz bestimmt ist aber Folgendes richtig: Wenn man Übersetzer ist, weil man Sprachen liebt, und jeder neue Text eine neue Herausforderung darstellt, wobei die Arbeit mit echter Freude erledigt wird, ist man bereits reich, oder?
Naja. Zumindest sind wir gut darin, in solchen Sachen Trost zu finden.
Irrtum Nr. 8: Übersetzen ist bloß das Abschreiben von Wörtern aus einer Sprache in die andere
Das stimmt genauso wie die Behauptung, dass ein Automechaniker nur ein bisschen den Wagen „durchstöbert“, und schon funktioniert er problemlos.
Eine Übersetzung verlangt neben einer mehrjährigen Ausbildung und späteren Schulung sowie Weiterbildung noch viel mehr.
Zuerst muss festgestellt werden, um was für einen Text und welches Fachgebiet es sich handelt. Wenn der Übersetzer das Fachgebiet gut beherrscht, geht die Übersetzung viel schneller. Ansonsten muss das Thema noch weiter recherchiert werden. Dann muss der Text noch übersetzt werden. Dabei wird es ganz bestimmt Begriffe geben, deren Übersetzung mehr Zeit als geplant erfordert. Beim Übersetzen müssen noch der Kontext, der Stil, das Zielpublikum, etwaige zusätzliche Anmerkungen des Auftraggebers und viel mehr berücksichtigt werden. Also eine ziemlich große Herausforderung, oder?
Einer der wichtigeren Punkte ist auch die Anpassung des Texts an die Kultur des Zielpublikums.
Die englische Redewendung „It's raining cats and dogs“ wird ganz bestimmt nicht mit „Es regnen Katzen und Hunde“ übersetzt, sondern mit „Es gießt wie aus Kübeln“.
Irrtum Nr. 9: Ein Übersetzer benötigt kein zusätzliches Wissen
Neben sehr guten Kenntnissen in beiden Sprachen muss der Übersetzer auch sehr gute Allgemeinkenntnisse besitzen, um im Text die Begriffe erkennen zu können, die sich auf verschiedene historische Ereignisse, Kunstwerke usw. beziehen.
Lassen Sie uns auch das an einem Beispiel erläutern.
→ Prague Spring begins in Czechoslovakia on 5th January 1968.
Ein guter Übersetzer wird dabei wissen, dass es sich beim Ausdruck „Prager Frühling“ um die Ära von Liberalisierungsbemühungen handelt und um keinen wirklichen Frühling (in diesem Fall kann man das auch am Datum, d. h. 5. Januar, erkennen).
Irrtum Nr. 10: Übersetzer werden bald von maschinellen Übersetzungen ersetzt
Kann maschinelles Übersetzen tatsächlich menschliche Fähigkeiten wie Kreativität, Humor und das Erkennen von Sprachnuancen ersetzen? Maschinelles Übersetzen ist übrigens in einigen Bereichen und bei manchen Sprachen bereits überraschend brauchbar. Es genügt zwar, wenn Sie nur eine grobe Übersetzung des Textes benötigen, kann aber einen professionellen Übersetzer zurzeit noch nicht ersetzen.